Nur ein Klick vom HIT entfernt ?

Der Regen prasselt nieder – typisch Hamburg. Immer dann, wenn ich einen unverschiebbaren Termin in der Hansestadt habe, öffnen sich die Himmelsschleusen. Diesmal ist es besonders ungemütlich, ein feiner Sprühregen begleitet von einer ordentlichen Brise. Laut Wetterbericht Windstärke 10. Nun ja, eigentlich könnte es mir egal sein. Was nicht zu ändern ist, ist eben nicht zu ändern. Dieser Umstand fällt mir immer wieder auf, und mittlerweile frage ich mich, ob ich ihn nicht irgendwie selbst heraufbeschwöre. Eine selbsterfüllende Prophezeiung, vielleicht. Vielleicht hilft es, ein paar positive Gedanken dagegenzusetzen.

Diese Gedanken tragen mich zumindest bis zum Bus. Öffentliche Verkehrsmittel sind nicht so mein Ding. Mit dem Bass auf dem Rücken, einem kleinen Koffer für zusätzliche Effektgeräte und einer Tasche für Bettzeug und Wechselklamotten bin ich maximal ausgestattet. Die Zeiten mit einem Reiseservice, einer Crew, die sich um das Equipment kümmert und sogar die Bässe bei den Proben stimmt, müssen wir uns erst verdienen. Doch erst einmal steht die Arbeit an und danach…

Zum Glück klingelt mein Handy, Jorge am Apparat. Er kann mich in Altona einsammeln. Also nur noch drei Stationen mit den Öffis, denn ich sitze bereits in der richtigen S-Bahn.

Hamburg zu verlassen, ist immer die größte Herausforderung. Die Straßen sind wie immer überfüllt, der Verkehr kennt keine Pause, ständige Rushhour. Auf dem Weg ins Studio müssen noch einige Kilometer abgespult werden, Zeit für die soziale Komponente einer solchen Fahrt. Neuigkeiten, Wohlbefinden, die neueste Technik, Gerüchte – alles wird durchgekaut. Natürlich sprechen wir auch über die geplanten Aufnahmen. Ich bin hochmotiviert und habe das Ziel, an einem Tag vier Songs aufzunehmen. Realistisch ist das nicht, ist klar. Jedoch besagen die Gesetze der Zielsetzung, dass Ziele gewisse Flexibilität haben sollten. Deshalb bevorzuge ich grundsätzlich mehr als weniger. Lieber haben als brauchen.

Ich habe die anderen schon ein wenig aufgewirbelt und angestachelt. Ich will Reibung erzeugen, ich will Erschöpfung vom Alltag in Energie umwandeln. Denn Brüggi und Jan kommen erst morgen nach der Arbeit ins Studio. Sie werden noch müde sein, aber ich brauche sie wach, gerne auch etwas außerhalb ihrer Komfortzone. Unsere Musik lebt von der Energie, die wir investieren. Früher griffen die Künstler einfach zu Drogen, ein bisschen Koks für den Kick. Doch das macht man nicht mehr. Die negativen Folgen haben sich rumgesprochen. Zum Glück gilt Zucker auch als Droge. So muss der Abschiedskuss von der weiblichen Hälfte (Sex), Schokolade + Fritz Kola (Drogen) und laute Gitarren (Rock’n’Roll) für das Klischee herhalten.

Wir haben eine Vielzahl von Elementen gesammelt, um einen Sound zu kreieren, der uns mitreißen soll. Am Ende dieser Session hoffen wir, genügend Material gesammelt zu haben, um das Puzzle zu vervollständigen und den richtigen Balancepunkt für den Song zu finden. Sollen es mehr Gitarren oder doch eine stärkere Rhythmusgruppe sein? Wie stark möchten wir den Gesang in den Song integrieren? Da wir unsere Geschichte in deutscher Sprache erzählen, zeigt die Erfahrung, dass viele Schwierigkeiten haben, den Text zu verstehen, insbesondere wenn Musik im Hintergrund spielt. Dies ist einer der Gründe, warum der Gesang bei den meisten Songs überbetont laut ist, obwohl er nur ein Element ist, um Emotionen zu erzeugen.

Jetzt sitzen wir vor dem Monitor, haben alles überprüft und eingestellt. Sind bereit die Aufnahme zu starten – der erste von vielen Prozessen. Ein Klick und los gehts. Wie wird es am Ende klingen?

Wir werden es hören. Seid dabei…